Beiträge von Collectivo Babelsberg

    Der folgende Text ist von Fi99 verfasst und ist galub ich sehr zu treffend.




    Unpolitisch macht Hirntod! – Warum Fußball und Politik untrennbar sind



    Uiuiui, was schreibt der denn da! Fußball und Politik kann man nicht trennen? Dabei bezeichnen sich die meisten Fans und Ultras doch als unpolitisch. Jaja, das ich nicht lache! Als erstes empfehle ich, die Rubrik „Ultra“ auf dieser Seite zu lesen. Da steht nämlich schon einiges über dieses Thema drin. Wer allerdings nicht glaubt, das gegen Versitzplatzung, Kommerz und Sicherheitsschikanen vorzugehen auch automatisch heißt, politisch zu sein, dem empfehle ich diesen Artikel zu überspringen. Und wer auch noch was dagegen hat, dass wir, das FI99, gegen Rassismus, Kommerz und so manch anderen Schwachsinn sind, der sollte lieber die Internetseite wechseln.


    Der Mensch ist in seinem ganzen Handeln politisch. Er vertritt eine Meinung, er macht sich Gedanken um bestimmte gesellschaftliche und politische Themen und er versucht sein Wesen nach Außen hin so gut wie möglich darzustellen. Hierbei kommt es darauf an, dass seine Interessen anderen gegenüber vertreten werden. Dies passiert sowohl in der Schule, wenn man sich beispielsweise vom Lehrkörper ungerecht behandelt fühlt, als auch in der Ausbildung, weil der Polier einen wieder mal herumkommandiert oder auf der Arbeit, weil man selbst eine andere Auffassung vom arbeiten hat als der Chef. Dort wird überall probiert, seine eigenen Interessen darzulegen und/oder durchzusetzen.


    So ist es im gesamten Leben, ob beruflich oder privat. Der Mensch kann denken und sinnbewusst danach handeln, er hat also gewisse (mehr oder wenige) politische Auffassungen in seinem Leben. Beim Fußball ist es natürlich genauso. Wir lassen beim Betreten des Stadions ja nicht unser Gehirn draußen. Zwar gibt es beim Fußball einen gemeinsamen Nenner, das Team erfolgreich spielen zu sehen und nebenbei Freunde zu treffen und Spaß zu haben. Doch im Fußball, als Bestandteil und Spiegelbild der Gesellschaft, prallen aufgrund der vielen Menschen auch viele Meinungen aufeinander. Und wieder wird versucht, die Interessen einer/m anderen gegenüber klar zu machen. Seien es nun die Gästefans, das eigene Team der/die Nachbar/in oder den Ordnungskräften.


    Jeder von uns hat sich schon mal über die Bierpreise in einem Stadion aufgeregt. Vielleicht war auch der Eintritt viel zu unangemessen, den du mal zahlen musstest. Die Ordnungskräfte haben jemand willkürlich aus dem Block gezogen, oder dich so behandelt, dass du dich in deinen persönlichen Rechten eingeschränkt sahst (BSP.: Kontrolle am Eingang, Videoüberwachung während des Spiels). Das Team spielt seit Wochen beschissen Fußball, obwohl die Spieler eine Menge Kohle verdienen. Dein/e Nachbar/in hat einen ausländischen Spieler vollgepöbelt, was dir tierisch auf den Keks ging. Alles Situationen, welche vielleicht nicht zu deiner eigenen politischen Einstellung oder zu deinen Interessen passten. Der/die eine will kiffen, der/die andere keine Rassisten mehr in der Kurve sehen, die anderen wollen Pyro zünden und wiederum andere wollen kostenlos Alk ausgeschenkt bekommen. Jede/r hat so seine Vorstellung beim Fußball. Unpolitisch gibt es also nicht!


    Dies trifft für den allgemeinen Stadionbesucher, wie für Fangruppen genauso zu. In der Gruppe finden sich Personen zusammen, die alle auf ein gemeinsames Ziel hin arbeiten, bzw. dieselben Interessen haben. Im FI99 ist es halt an erster Stelle die bestmögliche Unterstützung der Mannschaft. Nebenbei werden unter anderem auf humanistische Grundeinstellungen wie Antirassismus oder Gewaltfreiheit wert gelegt, letztendlich müssen sie den meisten Miglieder/innen relativ sympathisch sein oder dürfen diesen angesprochenen Werten nicht allzu weit entfernt sein (Mehr dazu gibt es in der Vorstellung der Gruppe zu lesen.). Gibt es nun Personen im Stadion oder in der Gruppe, die anderweitig auffallen, oder die sich nonkonform mit den Werten der Gruppe verhalten, dann kann es zu Auseinandersetzungen kommen (z.B. verbal, körperlich, Ausschluss).


    Der Fußball ist nun mal, wie der gesamte Lebensprozess, kein Bereich der unpolitisch ist. Politische Grundeinstellungen und Entscheidungen sind natürlich und wichtig, und natürlich wichtig, gerade in Zeiten, wo rassistische und faschistische Tendenzen vor keinem Fußballplatz halt machen und die Fußballfans in ihren Persönlichkeitsrechten mehr und mehr eingeschränkt werden.


    Wir werden auch weiterhin z.B. gegen totalen Sicherheitswahn; Versitzplatzung, Kommerz und Rassismus kämpfen.


    Warum? Weil wir es für nötig halten!

    Dieses Schreiben geht an die Polizei, NOFV, SV Babelsberg 03, MAZ, PNN



    Offener Brief mehrerer Fangruppen zu den Ereignissen am Ostermontag


    Da haben wir wieder das Beispiel, dass Rassismus und Faschismus nicht nur zum Alltag in Deutschland und in deutschen Stadien gehört, sondern auch auf blinde Ignoranz stößt und Stichwörter wie die als beispielhaft geltende „Zivilcourage“ nur leere Worthülsen sind.
    Anders sind die Geschehnisse während des Oberligaspiels zwischen Babelsberg 03 und Viktoria Frankfurt/O. am Ostermontag nicht zu bewerten.


    Über die gesamte Spielzeit provozierten etwa 50 angereiste Gästefans, die erkennbar der rechten Szene zugeordnet werden können mit Parolen und Gesängen wie „Arbeit macht frei – Babelsberg 03“ , „Wir bauen eine U-Bahn von Babelsberg nach Auschwitz“, „Juden“, ZickZackZeckenpack“, um nur einige zu nennen.
    Dadurch hatten die 50 Rechten eine viel größere Plattform für ihre Ideologie und eine viel breitere Öffentlichkeitswirksamkeit, als es – von der Polizei abgeschirmte – Demonstrationen bieten können.
    Neunzig Minuten lang mussten über 1800 Menschen - vom Kleinkind bis zum Rentner - diese geistigen Ausfälle über sich ergehen lassen.
    Zahlreiche Fans konnten sich nicht auf die eigentliche Hauptsache - das Fußballspiel - konzentrieren, da dies angesichts der Parolen zur Nebensache degradiert wurde.
    Zum Glück gibt es Menschen, die nicht „einfach weghören oder weggucken“, bedenkt man die Geschichte.


    Doch nun zu den eigentlich erschütternden Tatsachen.


    Es schien von Seiten der Verantwortlichen, also vom Veranstalter oder denen die für die Sicherheit verantwortlich sind, kaum jemanden zu interessieren, denn es blieb unkommentiert.


    Die Nordkurve und auch weite Teile der Gegengerade machten permanent und lautstark auf diesen Missstand aufmerksam. Besonders gegen Spielende schallte aus mehreren Hunderten Kehlen ein „Nazis raus“, als die Frankfurter ein weiteres Mal den Trennzaun erklommen um „direkter“ zu provozieren.
    Damit haben ca. ein Viertel des Stadions(!) deutlich gemacht, dass Rechtsradikale unerwünscht sind. Wenn sich in einer unbestimmten Lokalität ein Viertel der Stammgäste über eine unbestimmte Personengruppe – zu recht – beschwert, fliegt diese im Normalfall raus. Warum nicht bei Babelsberg 03? Zählt es rein gar nichts, was die aktiven Fans zu sagen haben?


    Es kam zu keiner Zeit eine Stellungnahme oder Aussage des Vereins bezüglich der Ereignisse. Selbst der Stadionsprecher fand kein einziges Wort, um auf gewisse gesellschaftliche Selbstverständlichkeiten hinzuweisen.
    Aber als von den Gästen Rauch gezündet wurde, kam sofort der Hinweis auf die Stadionordnung. Ist es wirklich so schwer?


    Auch die Ordner und die Polizei sahen sich nicht genötigt einzugreifen und die Gesänge zu unterbinden. Es wäre zumindest zu erwarten gewesen, dass nach unzähligen Wiederholungen mit Ausschluss o.ä. gedroht wird.
    Schließlich hat nur das Verhalten der Gästefans für die angespannte Stimmung gesorgt. Fairerweise muss gesagt werden, dass wenigstens beim Aufhängen der Schwarz-Weiß-Roten Reichsfahne die Polizei eingriff, diese nach dem Spiel aber wieder aushändigte.


    Das die Geschehnisse in der Lokalpresse keine Erwähnung finden ist nicht verwunderlich, denn schließlich handelte es sich ja „nur um eine Fußballranderscheinung“. Die ohne Licht fahrenden Radfahrer im Polizeibericht sind jedenfalls erwähnenswerter.
    Es ist vielleicht unpassend das anzuführen, aber nach gesundem Menschenverstand wäre am Montag ein Spielabbruch gerechtfertigter gewesen, als beim Spiel gegen Neuruppin.


    Dieser Tag hat auf jeden Fall erneut vielen Menschen eindrucksvoll vor Augen geführt, wie akzeptiert rassistisches und diskriminierendes Verhalten und Gedanken“gut“ in unserer Gesellschaft sind.
    Von Zivilcourage war nichts zu spüren. Die Ausnahme waren „nur“ die Fans aus der Nordkurve bzw. teilweise der Gegengerade, die eindeutig Stellung bezogen.


    Dafür Danke und Respekt!



    „Filmstadt Inferno ´99“


    Im Namen von „Stehplatz Ermäßigt“, „FC Munke e.V.“, „Collectivo Babelsberg“