@ Lokist
Was ist bei euch los?
Auch im Nachwuchs liegen die Nerven blank (A-Jugend).
© Leipziger Volkszeitung vom Sonntag, 16. Mai 2004
Schwarzes Wochenende für den VfB Leipzig
Leipzig. Gestern, 16.46 Uhr war es vorbei im Plache-Stadion, das letzte Heimspiel des insolventen VfB Leipzig. Für Udo Kiesewetter bricht eine Welt zusammen, noch ehe der Abpfiff ertönt. "Ich bin auf Montage in Bayern. Nur wegen diesem Spiel bin ich gekommen, und ich muss auch diese Nacht wieder los. Insgesamt 800 Kilometer für meinen Verein. Dem ich auch in der 3. Kreisklasse die Treue halte. Es ist der schlimmste Tag für mich", sagt der 44-Jährige, der seit 1969 kaum ein Spiel der Probstheidaer verpasst hat. Und schnappt sich schnell wieder seine Videokamera, um das VfB-Aus zu dokumentieren.
Lok-Legende Karl Drößler ist gefasster, schaut der munteren Partie in Ruhe zu. "Es ist für mich noch immer Herzenssache bei den Heimspielen dabei zu sein. Es tut weh, was hier passiert. In diesem Verein habe ich einen Großteil meines Lebens verbracht", verrät der 67-Jährige seine Gefühle. "Ich glaube, in den vergangenen Jahren ist einiges verkehrt gemacht worden im Verein. Leider gibt es keinerlei Grund für Optimismus."
Das sehen offenbar einige knallharte VfB-Fans anders. Als der Schiedsrichter abpfeift, singen sie los. "Wir sind die Größten der Welt, der 1. FC Lok ...." Auch die "Chemie-Schweine" sind in ihren Gesängen enthalten.
Bei Bernd Fraunholz, ehemaliger Schatzmeister, rollen dagegen die Tränen. Er zittert richtig, will unbedingt auf den Platz, wo die letzte VfB-Mannschaft gerade von den Fans gefeiert wird. "Als ich heute früh los gefahren bin, habe ich mich gefühlt, als ob ich zu einer Beerdigung muss."
Der Geschäftsmann hat ein doppelt schwarzes Wochenende hinter sich. Am Sonnabend muss er mit ansehen, dass die A-Junioren aus Probstheida in der Bundesliga eine deftige 0:4-Heimschlappe gegen den FC Hansa Rostock kassieren und damit in den tiefsten Abstiegssumpf reinschlittern. Und als Krönung erlebt er, wie einige Fans die jungen Kicker noch anfeinden, weil sie angeblich kein Herz mehr für den Verein hätten und sogar "absichtlich verlieren". "Das tat weh", sagt Fraunholz, dessen Sohn Benjamin zur Mannschaft gehört. "Ich weiß, wie die Jungs am Verein hängen. Einige hat das so tief getroffen, dass sie gar nicht mehr spielen wollen." Zwischenzeitlich droht sogar eine Schlägerei, weil einige Eltern der Spieler Partei für ihre Sprösslinge ergreifen. Die meisten der jungen Burschen, die noch ein Jahr in dieser Altersklasse einsatzberechtigt sind, haben sich bereits entschieden. Sie werden in der nächsten Saison im neuen Leipziger Leistungszentrum üben und damit das Trikot des FC Sachsen überstreifen. Was aber im Treffen gegen Rostock nicht zu sehen ist. Denn die Leipziger A-Junioren zerreißen sich, wirken dabei aber zu verkrampft. Und Hansa nutzt ihre Fehler eiskalt.
Die Jungs zeigen bereits vor dem Anpfiff ihren Protest gegen die Entlassung ihres Trainers Uwe Schlieder vor einigen Wochen. Allerdings ohne Krach. Sie tragen bei der Erwärmung T-Shirts mit der Aufschrift "Danke Herr Striewe". Gemeint ist Insolvenzverwalter Friedbert Striewe, der dem Coach der A-Junioren sogar ein Platzverbot erteilte. Dass Schlieder am Sonnabend auf der Bank sitzt, wird von den Chefs des VfB bzw. des 1. FC Lok geduldet. "Noch besteht ein Fünkchen Hoffnung, das von der Mannschaft selbst gesteckte Ziel Klassenerhalt zu schaffen. Aber dazu brauchen die Jungs schnellstmöglichst ihr gewohntes Umfeld. Um in den letzten beiden Spielen nochmals wie zuvor so oft über sich hinauszuwachsen", weiß Schlieder. Der Coach verweist vor allem auf den Insolvenzverwalter, "dessen Interessen sehr undurchsichtig, aber auf keinen Fall auf das Wohl der Spieler ausgerichtet sind."
VfB-Nachfolger 1. FC Lok sucht noch einen Trainer für die A-Jugend. Wunschkandidat Thomas Matheja unterschreibt heute bei Erzgebirge Aue einen Vertrag als Jugendleiter und Amateurcoach des Landesliga-Teams. Der 50-Jährige wird zudem das Sichtungssystem des Zweitligisten neu aufbauen. "Natürlich möchte ich auch dabei helfen, dass die geplante Zusammenarbeit zwischen Aue und Lok klappt", sagt Matheja.
NT/S. E.