Zweiter Spieltag, mein Regionalligaauftakt. Hamburg ist immer einen Abstecher wert also ging es bereits Sonntagvormittag in die Elbmetropole. Anpfiff am ehrwürdigen Millerntor zwischen der Pauli-U23 und dem HFC sollte erst Montagabend sein. Quasi auf dem Weg lag das Regionalligamatch zwischen Goslar und dem VfB Lübeck - in Braunschweig. Also bekam ich meine BS- und Goslar-Premiere.
Goslarer SC 08 - VfB Lübeck
10 Minuten vor Spielbeginn hatte man das Stadion an der Hamburger Straße erreicht. Den sichtlich irritierten Ordnern und Polizisten antworteten wir auf die Frage ob "Goslar oder Lübeck?" nicht ohne Stolz mit "Halle!". Man suchte sich ein Plätzchen auf der Haupttribüne aus, ab zum Kassenhäuschen und zwei Karten gesichert. Programmhefte fehlanzeige. Vor dem Block dann die Absage, man hatte mir zwei Karten für zwei verschiedene Blöcke verkauft. Unter freundlicher Mithilfe einer Eintracht-Fanbeauftragten war der Fauxpas schnell behoben. Die allerersten Spielminuten waren futsch. Das Stadion war dafür sehr ansehnlich. Für alle Nostalgiker eine Oldschool-Stehkurve und ansonsten meist überdachte Sitzplätze. Da macht Fußball Spaß.
Das Spiel war recht flott mit ein paar ordentlichen Szenen. Lübeck hatte sich von den unerfahrenen Greenhorns zu abgezockten Hasen entwickelt. Der VfB wirkte gefälliger und Goslar tat sich beim finalen Pass sehr schwer. Bitter für die Marzipan-Boys: Stütze Dennis Wehrend musste zeitig verletzt raus (15.), später erwischte es mit Christoph Bergmann den zweiten Grünen (25.).
Dennoch gingen die Gäste verdient in Führung, Jakob Sachs markierte nach einer halben Stunde die Führung. Goslar vergab daraufhin die größte Chance. Semghoun verkürzt gegen Lipke clever den Winkel. Bitte für die Niedersachsen: mit dem Pausenpfiff erhöhte Lübeck auf 2:0 per Kopf durch Stefan Richter.
In der Halbzeit umgeschaut: im Stadion befand sich alles mögliche - nur wenig aus Goslar. Ein Kollege mit WehenWiesbaden-Schal zählte sicher zu den ungewöhnlichsten Gästen. Aber unter vielen etwas gelangweilten Braunschweigern befand sich auch ein falschfarbener aus einer unweit entfernten sachsen-anhaltinischen Agrarmetropole. Die Stimmung insgesamt mittelprächtig. Lübeck mit knapp 200 Leuts, die dementsprechend nur wenig flair versprühten. Die Goslarer wirkten mit dem Support im übergroßen Stadion überfordert. Überfordert wirkten auch alle aus Goslar organisatorisch involvierten Personen. Die Braunschweiger nahmen das mit einem leichten Kopfschütteln + Lächeln zur Kenntnis.
In der zweiten Hälfte versuchte es Goslar noch mal, spielte aber meist zu umständlich und erinnerte im Abschluss allzu oft an die Sportfreunde aus Aserbaidschan. Vor allem Bogenlampen im Goslarer Offensivspiel waren die beste Lübecker Abwehrhilfe. Statt die Flanken scharf und flach zu bringen, kamen nur 10sekündige Segelflieger in den Strafraum, ein Traum für jeden Verteidiger. Lübeck entschied das Spiel nach einer Stunde: Ecke - Kopfballverlängerung - Kopfball - Tor. Patrick Peters der Torschütze zum 3:0.
Kurz darauf die Erlösung für die Westharzer: das erste Regionalligator! Benjamin Lipke knallt das Leder von links in die Maschen. Goslars Fanblock lebte wieder, kurze Euphorie. 10 Minuten lang berannten die Kaiserstädter das VfB-Tor. Lübecks Abwehr hielt stand. Das Spiel verflachte und die Jungs aus dem hohen Norden hatten den ersten Dreier der Saison sicher. Goslar zahlte Lehrgeld, besser ist das Spiel nicht zu beschreiben.
Goslarer SC 08 - VfB Lübeck 1:3 (0:2)
Tore: 0:1 Sachs (30.), 0:2 Richter (45.), 0:3 Peters (61.), 1:3 Lipke (65.)
Zuschauer: 605
Goslarer SC: Möhlenbrock - Wilking, Endres, Uluisik, Doll( 57. Kolm), Binder(54. Ndjock), Bormann (63. Szweda), Fischer, Scheinpflug, Dähling, Lipke
VfB Lübeck: Semghoun - Bergmann (25. G. Lange), Wehrendt (15. Peters), Marheineke, Hohnstedt - Helmke, N. Lange - Sachs, Landerl(77. Lindner), Henning - Richter
Am Abend ging es abends im Tivoli auf der Reeperbahn zu "Caveman" (peinlicherweise meine Debütvorstellung) mit anschließender Kneipentour quer über den gesamten Kiez. Allerdings waren die Hamburger Nächte nicht besonders lang, zum Sonntagabend schlossen die Pforten gegen Mitternacht bis Eins. Lediglich ein Pub nahm die durstigen Reisenden auf. Abends ging es zurück zur Schlafstelle. Unser Fahrer machte blöderweise zwei Fauxpas (jeweils in die falsche Spur eingeordnet), unglücklicherweise genau vor einem Blaulichtmobil. Doch die Polizisten reagierten überraschenderweise sehr verständnisvoll und als nach dem Blasen eine stolze "0.00" auf dem Display erschien, hieß es freie Fahrt!
Am Montag ging es nach individueller Tagesgestaltung bereits gegen 16 Uhr am Rande Hamburgs los zum Millerntor, Anpfiff um 6. Doch die Zeit sollte man brauchen, die Einfahrt war quasi nicht zu finden. Die Einmündung zum Parkplatz am Dom stellte sich als die richtige Wahl heraus. Und so war man rechtzeitig für die eigenen Bedürfnisse im Stadion (Bratwurst, Stadionrundgang, Aufstellung checken, "Old HFC" begrüßen). Ein Programm gabs mal wieder nicht.
FC St.Pauli II - Hallescher FC
Insgesamt wurden nur die Tribünen jeweils hinter den Toren für Heim und Gast geöffnet. Am Ende sollten es sogar 1.655 Zuschauer werden - eine äußerst respektable Zahl für Montag 18 Uhr, wobei die Erste in Aachen ran musste. Die Stimmung auf den Rängen ganz ok, auch wenn es einem nicht vom Hocker gehauen hat. Dafür waren die Anfeuerungen zu durchwachsen.
Dank ACDC und der Lautsprecheranlage klangen die "Glocken der Hölle" über das heilige Geistfeld. Ok, die Gänsehaut hielt sich in Grenzen - aber es ging ja auch um unseren HFC. Der tat sich mit der Goslar-Erfolgs-Elf sehr schwer. Chancen konnte man in der ersten Hälfte an einer Hand abzählen. Neubert wird zwei mal geblockt; ein Sieber-, ein Kanitz- und ein David-Schüsschen brachten keine Gefahr. Für den HFC klärte Patrick Mouaya nach nur sieben Minuten in höchster Not vor Kristof Kurczynski zur Ecke.
Dementsprechend kommen sogar die verzweifelten "Licht an!"-Rufe ins Protokoll. Der Himmel bewölkte sich und im Stadion wurde es düster, Arvid Schenk im Pauli-Tor bemängelte das als erster. Irgendwann kamen auch die ca. 300 Hallenser auf die Idee die Birnen anzuknipsen. Erst mit dem Einsetzen des Regens ("Hamburger Wetter") wurde es hell (30.).
Zweite Hälfte mit etwas mehr Schwung auf beiden Seiten. Mit der ersten HFC-Ecke das Tor: Nico Kanitz bringt den Ball herein und Mathias Hinzmann - eigentlich Kapitän für die Braunen - lenkt den Ball ins Tor. Der Stadionsprecher schreibt dem lauernden Steve Finke den Treffer zu. Egal, Führung am Millerntor! Es ging auch stürmisch weiter, doch nur wenige Minuten. So richtig wollte keine Chance herausspringen. Deshalb half Pauli nach, denn Arvid Schenk nahm einen Rückpass reflexartig mit der Hand auf. 11 Meter bis zum Glück, doch dieses mal steht nicht nur der Torhüter im Weg, sondern 10 andere wollen sich dem zweiten halleschen Treffer entgegen werfen. Das gelingt. David trifft nur einen Hamburger und drischt anschließend drüber.
Pauli spielt mittlerweile munter mit. Doch Jan-Philipp Kalla und Stefan Winkel scheinen Darko "Horvat unser Torwart" noch nicht zu kennen. Anders sind die harmlosen, flachen Fernschüsse auf den Mann nicht zu erklären. Doch das änderte sich nach einem Benes-Ballverlust. Patrick Mouaya macht wie beim Auftaktspiel mal wieder keine gute Figur: Stefan Winkel schiebt ihn rein (67./1:1). Man munkelt: Christian Kamalla hätte gegen den angehenden Torschützen geklärt, notfalls den Gegenspieler niedergestreckt.
Die Elbestädter wollen jetzt mehr, kommen aber nur selten zu Chancen, Bourgault köpft eine Ecke daneben. Die Rot-Weißen wachen erst in den Schlussminuten auf, erzeugen inzwischen mit Müller, Hebestreit und Hauk gegen kompakte Kiezkicker aber zu wenig Druck. Eine Direktabnahme von David pariert Schenk zur Ecke. Aber der MDR funkt dazwischen. Die rasenden Reporter aus dem Osten funken auf der gleichen Frequenz wie die Sprinkler-Anlage, also wird schon vor dem Abpfiff der Rasen gewässert. Nach dem alles wieder im Reinen ist, fliegt der letzte Eckball durch Paulis Strafraum - Lachheb vertändelt - Abpfiff, 1:1. Schade.
Große Freude kommt nicht auf, Enttäuschung sieht auch anders aus. Hamburg freut sich über einen Punkt gegen einen Aufstiegskandidaten – zumindest vom Papier her. HFC-Trainer Sven Köhler wirkt nicht glücklich. Andreas Bergmann rennt Hände schüttelnd durchs Stadion, sein Team (H96 II) konnte schweinegrippebedingt nicht gegen seinen Ex-Club Pauli II antreten. Er weiß auch noch nicht, dass er möglicherweise Interimscoach in der Bundesliga wird.
Uns ist das egal, Auto wegschaffen und ab in die nächste Kneipe. Die verriet uns eine 3:0-Führung für St.Pauli I am neuen Aachener Tivoli. Der Stadionfluch hat wieder zugeschlagen, wie schon einst Sachsen Leipzig oder der 1.FC Magdeburg (oder mittlerweile Dynamo Dresden) geht der Start im neuen Stadion tüchtig in die Hose. Man witzelte schon, dass man das Magdeburger Stadion in Aachen nachgebaut hätte, schick sieht anders aus. Vom Sturz des Pauli-Anhängers in Aachen erfuhr man nicht, dementsprechend war die Stimmung ungetrübt. Auch von dieser Stelle aus gute Besserung!
Da in St.Pauli am Abend nur der 5:0-Erfolg der Stanislawski-Schützlinge im Vordergrund stand, ließ man sich von den 4 Hallensern nicht stören, die unverblümt ihre Fahne in der Kneipe aufhingen und ihren Verein lautstark vertraten. Nicht umsonst reist man mit dem Motto „We're only here for football and beer“ durchs Land. Bis zum nächsten mal in Karl-Marx-City!
FC St.Pauli II - Hallescher FC 1:1 (0:0)
Tore: 0:1 Hinzmann (52./ET), 1:1 Winkel (67.)
Zuschauer: 1.655
Pauli: Schenk - Hinzmann, Krause, Theißen, Biermann - Browarczyk, Bourgault, Kalla, Filipovic (56. Laban) - Kurczynski, Winkel (84. Zekiri)
HFC: Horvat - Benes, Lachheb, Mouaya, Sieber - Schubert (82. Hauk), Finke - David, Stark (64. Hebestreit), Kanitz - Neubert (74. Müller)
Morgen gibts hier noch ein paar Schnappschüsse
