"Eine Politik ohne Brechstange"
[10.09.] Wirtschaftlich hat sich Borussia Dortmund nach der Beinahe-Pleite im Jahr 2005 inzwischen erholt. Welche Ziele er jetzt verfolgt, verrät Hans-Joachim Watzke (48) im kicker-Interview. "Jetzt, wo der Klub wirtschaftlich konsolidiert ist, muss der nächste Schritt folgen. Wir wollen sportliche Substanz aufbauen, um wieder konkurrenzfähig zu werden", sagte der Vorsitzende der Geschäftsführung im Gespräch mit Redaktionsleiter Thomas Hennecke.
"Unsere operativen Netto-Verbindlichkeiten betragen nur 14,3 Millionen Euro. Vor zwei Jahren waren es 106 Millionen Euro mehr. Um genau diesen Betrag haben wir unsere Schulden reduziert."
Wären Sie gern Geschäftsführer der TSG 1899 Hoffenheim, Herr Watzke?
Hans-Joachim Watzke: Das nicht - aber Dietmar Hopp wäre ich gern.
Was das Transfervolumen angeht, kann Dortmund mit Hoffenheim nicht konkurrieren. Ist bei Ihnen mit Einkäufen der Kategorie Frei, Valdez oder Petric das Ende der Fahnenstange erreicht?
Watzke: Wir müssen sehen, dass wir unsere Transferbilanz in der Waage halten. Verkaufen wir einen Spieler für 15 Millionen, ist es auch möglich, dass wir im selben Umfang einen holen. Aber nur dann.
Im Rahmen der Bilanz-Pressekonferenz wiesen Sie bei annähernd 100 Millionen Euro Umsatz einen Rekordgewinn von 10,3 Millionen Euro aus. Warum stürzte der Aktienkurs zwischenzeitlich trotzdem ab?
Watzke: Schon vor der PK wurde eine siebenstellige Stückzahl von Aktien auf den Markt geworfen. Wenn zwei bis drei Prozent des gesamten Aktienkapitals zum Kauf angeboten werden, kommt jede Aktie unter Druck. Sie hat sich inzwischen fast erholt.
Die Vermutung liegt nahe, dass Florian Homm seinen Aktienanteil von einst 25 Prozent auf geschätzte sieben Prozent reduziert hat. Am Freitag verkaufte er angeblich 900 000 Aktien. Misstraut er Ihnen und Ihrer Geschäftspolitik?
Watzke: Ich kenne seine Motivation nicht. Homm hat seine Verdienste um den BVB, weil er uns in schwieriger Zeit unterstützt hat. Sollte er sich jetzt zurückziehen wollen, werden wir das akzeptieren. Uns entstehen daraus keine wirtschaftlichen Nachteile.
Inklusive der Stadionfinanzierung drücken Dortmund Schulden von 130 bis 135 Millionen Millionen Euro. Trotzdem sehen Sie "glänzende Perspektiven". Wie passt das zusammen?
Watzke: Bei jedem Klub mit einer Stadionfinanzierung läuft diese Finanzierung außerhalb des operativen Geschäfts. Mit unseren Gesamtverbindlichkeiten sind wir ordentlich aufgestellt - und stehen sicher nicht an der Spitze der Bundesliga. Wichtig ist, dass unsere operativen Netto-Verbindlichkeiten nur 14,3 Millionen Euro betragen. Zwar ist das immer noch zu hoch. Aber vor zwei Jahren waren es 106 Millionen Euro mehr. Um genau diesen Betrag haben wir unsere Schulden reduziert.
"Wir werden eine Politik ohne Brechstange betreiben, mit Vernunft und Augenmaß. Du kannst nicht vor zweieinhalb Jahren kurz vor der Insolvenz stehen und heute so tun, als wäre alles nur ein böser Traum gewesen."
Aus Ticketing nahm der BVB 2006/07 mehr als 18 Millionen Euro ein, im Sponsoring-Bereich 30,5 Millionen, aus der TV-Vermarktung 21,2 Millionen. In welchen Bereichen steckt am meisten Fantasie?
Watzke: Im Bereich internationaler Fußball ist erheblicher Spielraum. Auch im Fernsehbereich sehe ich deutliche Steigerungsmöglichkeiten. Die Bundesliga ist ein absolutes Premium-Produkt, das sich keiner entgehen lassen will.
Muss die Sportschau bei den Verhandlungen im nächsten Jahr als heilige Kuh geopfert werden?
Watzke: Es gibt grundsätzlich keine heiligen Kühe im Rahmen dieser Gespräche. Auf der anderen Seite weiß man aber sicher, was man an der Sportschau hat.
Dass der Vertrag mit Vermarkter Sportfive 2010 endet, bedeutet für den BVB eine jährliche Entlastung von acht bis zehn Millionen. Gehen Sie davon groß einkaufen?
Watzke: Jetzt, wo der Klub wirtschaftlich konsolidiert ist, muss der nächste Schritt folgen. Wir wollen sportliche Substanz aufbauen, um wieder konkurrenzfähig zu werden. Und da sehe ich uns ab 2010 in einer deutlich besseren Position.
Um was zu tun - Stars holen, die heute unerschwinglich sind?
Watzke: Wir werden eine Politik ohne Brechstange betreiben, mit Vernunft und Augenmaß. Du kannst nicht vor zweieinhalb Jahren kurz vor der Insolvenz stehen und heute so tun, als wäre alles nur ein böser Traum gewesen. Niemand kann davon ausgehen, dass der wirtschaftliche Parforceritt, den wir seit 2005 gemacht haben, eins zu eins auf den Sport übertragen wird.
Im Zeitraum von 2008 bis 2011 möchten Sie Borussia Dortmund wieder auf Augenhöhe mit Stuttgart, Schalke und anderen Vereinen bringen. Deklarieren Sie die gerade begonnene Saison deshalb als ein Übergangsjahr?
Watzke: Wir werden sehen, wohin die Reise geht. Jedenfalls sind wir von der Investitionsseite noch nicht wieder so aufgestellt, dass wir von einer Platzierung ganz vorne ausgehen können.
Aus dem Verkauf von Ebi Smolarek stehen noch mehr als zwei Millionen Euro zur Verfügung. Schlagen Sie noch einmal zu?
Watzke: Unsere Bilanz zum 30. Juni weist liquide Mittel von mehr als 13 Millionen Euro aus. Das heißt: Wir können jederzeit reagieren, wenn wir eine Notwendigkeit dafür sehen. Nur etwas aus reinem Aktionismus zu machen, kommt jedoch definitiv nicht in die Tüte.
Alexander Frei fehlt wegen seines neuerlichen Muskelfaserrisses möglicherweise fünf weitere Spiele. Bereuen Sie es, dass Sie Smolarek an Racing Santander abgegeben haben?
Watzke: Frei ist für uns unersetzlich. Genauso wie Sebastian Kehl. Das sind für uns zwei absolute Führungsspieler, die derzeit ausfallen.
Zumindest im Sturm hätten Sie mit Smolarek eine Top-Alternative gehabt...
Watzke: Vorne haben wir Diego Klimowicz und Nelson Valdez. Außerdem zeigt sich, dass es ein kluger Schachzug war, mit Petric einen Spieler zu holen, der sowohl im Mittelfeld wie auch im Sturm einsetzbar ist. Das Personal im Angriff reicht. Wir spielen schließlich nicht international.
Quelle: www.bvb.de