Vergessene Fußballhochburg der Kaiserzeit

  • Auch vor dem Krieg gab es Fußballregionalverbände für West, Nord oder auch Süd. Heute ist kaum bekannt, dass vom heutigen NOFV-Gebiet die Niederschlesische Oberlausitz (also Görlitz, Weißwasser, Hoyerswerda etc.) und die gesamte brandenburgische Niederlausitz zum Südostdeutschen Fußballverband gehörten. 1933 wurden durch die Gleichschaltung der Nazis die Regionalverbände und somit auch der SOFV aufgelöst.
    Während einstige Hochburgen wie Cottbus und Görlitz westlich von Oder und Neiße noch ordentliche Entwicklungen nahmen, ist die einstige Fußballpionierstadt Forst (Lausitz) heute gerade mal in der Landesklasse mit dem TV 1861 vertreten, der 1927 sogar Deutscher Meister der "Deutschen Turnerschaft" war.
    Daneben sind Askania und Viktoria Forst, die es sogar zu Meisterschaftsehren von Südostdeutschland gebracht hatten und damit sogar in die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft einzogen, heute völlig vergessen. Askania Forst verlor 1911 im Viertelfinale gegen den VfB Leipzig mit 2:3, 1913 gegen den selben Gegner im Viertelfinale 0:5 und 1914 gegen den Berliner BC 03 4:0 im Viertelfinale. Im Achtelfinale der Deutschen Meisterschaft 1925 schied Viktoria Forst kanpp mit 1:2 gegen Schwarz-Weiss Essen in Forst vor 7.000 Zuschauern aus.
    Mich würde interessieren, ob jemand Bilder aus diesen alten Forster Fußballtagen hat?
    Durch die Grenzziehung in der Neißemitte 1945 fiel der Ostteil der Stadt an Polen, die diesen Teil aus Grenzsicherungsgründen abriss! Damit sind auch die alten Plätze von Viktoria und Askania untergegangen. Hat jemand mal das verwilderte Areal besucht und dort womöglich noch Spuren gefunden???



    Für Nostalgiker hier auch die Meisterschaftsehrentafel des Südostdeutschen Fußballverband (SOFV):


    1906, 07: SC Schlesien 01 Breslau; 1908: VfR 1897 Breslau; 1909: Alemannia Cottbus (Vorläufer des FSV Cottbus); 1910: VfR 1897 Breslau; 1911: FC Askania 01 Forst, 1912; ATV 1896 Liegnitz; 1913, 14: FC Askania 01 Forst; 1920, 21, 22, 23, 24: Vereinigte Breslauer Sportfreunde; 1925: FC Viktoria 01 Forst; 1926: Breslauer SC 08; 1927: Vereinigte Breslauer Sportfreunde; 1928: Breslauer SC 08; 1929 SC Preußen 1910 Zaborze (Stadtteil von Zabrze/Hindenburg); 1930, 31, 32, 33 Beuthener SuSV 09

  • Zumindest hat Forst auch nach dem Krieg noch einige gute Spieler hervorgebracht. So wechselten in der Oberliga in den Fünfzigern mehrere Spieler aus Forst zu Rotation Babelsberg . Die Namen habe ich leider grade nicht parat, kann sie bei Interesse aber ausfindig machen.

  • Mittelfristig geht es mir genau darum, Vereine des Südostdeutschen Fußballverbandes, des Baltenverbandes (Ost- und Westpreußen, Hinterpommern), Sudetenland etc. in einem Band gemeinsam vorzustellen. Der Agon-Verlag hat ja mit dem Buch "Norddeutschland" eine solche Sammelchronikedition eröffnet, zu der wohl auch zwei Nordostbände kommen werden. Mit dem Autor stehe ich in Kontakt und habe lange Jahre in Polen lebend bereits vieles recherchiert.


    Am umfassendsten schildert bislang das Buch "Vom Kronprinzen zur Bundesliga" diese Geschichte, wobei darin alle Regionen Deutschlands von 1890 bis zur Bundesligaeinführung (auch DDR-Fußball) mit den höchsten Spielklassen ststistisch und vielen Fotos erfasst sind. Jetzt geht es darum, die Vereine von ihrem gesllschaftlichen Hintergrund zu charakterisieren und natürlich auch Fotos zu sammeln.
    Auf das besagte Buch wird man wohl noch einige Jahre warten müssen, da erst alle heutigen Regionen Deutschlands dran sind.

  • Zitat

    Original von Silesiosaurus
    die Vereine von ihrem gesllschaftlichen Hintergrund zu charakterisieren .


    Genau das würde mich interessieren.

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    Der liebe Vaterlandsboden gibt mir wieder Freude und Leid.

  • Thema Forst:
    Hab mich mal virtuell etwas damit beschäftigt.


    Das Luftbild (stadtplandienst.de) zeigt den 'abgeräumten' Forster Osten (ehem. Stadtteil Berge).


    Das Oval im rechten oberen Bildviertel - könnten das noch Wällle eines Stadions sein - oder lagen diese Stadien ganz woanders ? Das Oval is auch ziemlich groß ...

  • Klasse INC,


    mal ganz abgesehen vom Fußball ein sehr interessantes Luftbild, das zeigt, dass trotz Abriss der gesamten Stadthälfte die Straßenstruktur noch zu erkennen ist.
    Ich habe einmal aus dem Rautenberg-Verlag den "Städteatlas Ostbrandenburg" eingesehen und meine mich zu erinnern, das die Lage gut passen könnte. Beide Plätze (Viktoria und Askania) lagen - meine ich - nebeneinander.
    Viktoria hatte seine starke Phase bereits in der Weimarer Republik und dürfte daher in der Zeit allgemein wachsender Kulissen mehr Zuschauer angezogen haben. Der Viktoriaplatz lag an der Kronenstraße. Die Viktoria fusionierte 1933 mit Fortuna zu Viktoria-Fortuna und hieß ab 1934 FC 01 Forst.
    Der Askania-Platz lag an der Heidestraße.

  • Zitat

    Original von salomon
    Das ist ja mal ein interessantes Thema.


    Sehe ich genauso. Man müsste sich mal die Mühe machen und die gesamte Thematik aufbereiten. Tabellen, Fotos, Zeitungsartikel, alte Karten usw. zusammentragen und am Ende den Usern geordnet zur Verfügung stellen.


    Interessant wäre dabei aber nicht nur die Region Niederlausitz - Oberlausitz - Niederschlesien - Breslau - Oberschlesien, sondern auch die Region Stettin - Pommern - Danzig - Westpreußen - Ostpreußen - Memelland.


    Die Region um Prag spielte von 1900 - 1904 und von 1938 - 1945 in Deutschland mit, wäre daher vielleicht auch noch interessant.


  • Statistisch gesehen sind zumindest die Meisterschaftsendrunen im SOFV und im Baltenverband sowie auch für die kurze Zeit Böhmen im DFB und natürliche sämtliche Gauligen Pommern, Ostpreußen, Schlesien, Sudetengau mit Kastentabellen in dem bereits erwähnten Schinken "Vom Kronprinzen bis zur Bundesliga" berücksichtigt. Das Buch gehört zu der Reihe "Enzyklopädie des deutschen Fußballs" des Agon-Sportverlags, innerhalb der auch das Vereinslexikon mit Steckbriefen, Wappen etc. die betreffenden Vereine würdigt. Das schwierigste wird es jedoch sein, die Charakteristik der Vereine noch herauszuarbeiten. In polnischen Bibliotheken finden sich kaum Vereinschroniken, während Vorkriegsakten in Archiven in so einem "unwichtigen Sektor" wie dem Sport eher selten registriert sind. Das Sportarchiv am Breslauer Stadion Olimpeskij (Schlesierkampfbahn) wollte ich besuchen, doch nach dem Hochwasser 1997 war vieles für immer untergegangen.
    Die ebenfalls von mir erwähnte Sammelchronikenreihe, die mit dem Band "Norddeutschland" gestartet ist und in Kürze mit Hessen fortgesetzt wird, nennt sich "Legendäre Fußballvereine". Der Band über die Ostgebiete wird wohl noch einige Jahre auf sicxh warten lassen.

  • also - zunächst mal der Plan von Forst-Berge 1934


    Das Gelände Kronenstr. (Viktoria) ist das im Norden der Hauptausfallstraße nach Osten (Pförtener Str.) - Das "Stadion", dessen Reste noch auf dem Luftbild zu erkennen sind, ist als "im Bau" befindlich, verzeichnet.


    Das Askania-Gelände (Heidestr.) befindet sich weiter südlich.


    Im Luftbild sind wirklich noch die alten Straßen bzw. Baublockstrukturen ersichtlich !

  • Hervorragende Arbeit! Schade, dass ich die nächsten Wochenenden verplant bin. Aber vielleicht stellt uns INC nach seinem Besuch noch Fotos hier rein und berichtet über die allgemeine Zugänglichkeit des Areals.
    Bei dem dicken Streifen in der Mitte handelt es sich ja noch um die Landstraße 289 von Zasieki (das ist der ehemalige südliche Rand von Forst-Berge, der wegen des Grenzbahnhofes nicht abgerissen wurde) nach Lubsko (Sommerfeld).

  • Nun kurz die bescheidenen Ergebnisse der kleinen Exkursion nach Forst/Lausitz bzw. Zasieki am Samstag:
    Zunächst zur Einführung (bilder 1 und 2) - Das Neiße-Ost-Ufer (Stadtteil Berge) in den 30er Jahren und heute.


    Wir waren lediglich an den Standorten der nördlich gelegenen Stadien. Diesen zu finden, erforderte etwas geographisches Gefühl - die Straßen, die auf dem Luftbild noch ganz gut zu sehen sind, sind am Boden nicht mehr ganz so auffällig. Orientierungen geben z.T. die älteren Straßenbäume (Linden, Kastanien). Allerdings sind die Kreuzungseinmündungen an der neuen Verbindungsstraße zur neu eröffneten Grenzbrücke (im Luftbild die nach Nordost führende Achse) neu gemacht worden !)


    Auf dem ehemals bebauten Gelände haben wir gefunden: einen Brunnen, einige wenige Straßenlaternen, vereinzelte Fundamente, Ziegelsteinhaufen, Zaunpfähle sowie vereinzelte Reste von Kachelöfen. Insgesamt stehen an der oben erwähnten Hauptstraße noch drei alte Gebäude.


    Von den Stadien ist - erwartungsgemäß - materialtechnisch nix mehr zu sehen - aber die Wälle sind z.T. noch vorhanden - insbesondere der Südwest-Teil des großen Stadions (dort, wo auf dem Luftbild kein Sand zu sehen ist). Der Sand liegt dort offen, wo die Wälle irgendwann abgetragen wurden.


    Ich hab mal zwei Fotos von Wall und Blick ins Innere des ehemals größeren Stadions angehängt, auch wenn's nicht so gut zu erkennen ist, denke ich, einen Eindruck vom heutigen Zustand geben die trotzdem.


    Alte Stadion-Fotos konnrt ich bis jetzt noch nicht finden. Da helfen u.U. nur das Stadtarchbiv in Forst (allerdings v.a. Bestände nach 1945) bzw. das Landesarchiv in Potsdam evtl. weiter.

  • Bis vor ein paar Monaten habe ich in der Lausitz gepfiffen, und war auch auf verschiedenen Forster Fussballplaetzen unterwegs. Insbesondere meine ich mich erinnern zu koennen, dass im Sportheim von Sueden Forst (an der Waldstrasse) Erinnerung an diverse Ereignisse aus der Kaiserzeit hingen.


    Vielleicht ist es moeglich, dass Sueden ein Nachfolgeverein der erwaehnten Vereine ist, oder zumindest einige Vereinsmitglieder dort Unterlagen mitgenommen haben. Meines Wissens nach gibt es leider keine Internetadresse von Sueden Forst. Bei TV Forst und bei Rot-Weiss kann ich mich nicht an aeltere Fotos erinnern.